Abteilungsleitung Chirurgie: Prof. Dr. Matthias Biebl folgt Univ.-Prof. Dr. Reinhold Függer
Ordensklinikum Linz
Univ.-Prof. Dr. Reinhold Függer, Abteilungsleiter der Chirurgie, wird mit Beginn des Jahres 2022 seinen wohlverdienten Ruhestand antreten. Ihm wird Prof. Dr. Matthias Biebl nachfolgen. Prof. Biebl ist aktuell stellvertretender Klinikdirektor der Chirurgischen Klinik an der Charité Berlin. Das Mitarbeitermagazin MITEINANDER traf beide zum Interview.
MITEINANDER: Lieber Herr Prof. Függer, wie geht es Ihnen, wenn sie an den Ruhestand denken? Überwiegt die Freude oder eher die Sorge über den nächsten Lebensabschnitt? Worauf freuen Sie sich?
R. FÜGGER: Es überwiegt eher die Neugierde. Ich freue mich vor allem darauf, unter weniger Zeitdruck leben zu können und meine Tage freier einteilen zu können.
Der Alltag des Chirurgen Dr. Függer ist den meisten von uns einigermaßen bekannt oder zumindest vorstellbar. Wie kann man sich den Tagesablauf des Reinhold Függer in Zukunft vorstellen? Kommt jetzt das Leben nach und ohne die Medizin?
R. FÜGGER: Der Tagesablauf wird sicher eine Basisstruktur haben. Ein Fixpunkt dabei wird der tägliche Sport sein, zu dem ich bei aller Begeisterung jetzt nicht in dem Ausmaß gekommen bin. Medizin wird mich natürlich weiter interessieren und ich möchte zeitlich begrenzt wissenschaftlich arbeiten. Das hat mich schon immer interessiert, und hat mit Neugierde zu tun.
Was macht eigentlich einen guten Chirurgen aus?
R. FÜGGER: Ein Gespür für das Abwägen von Risiko und Nutzen einer Operation, eine sehr gute Technik und vor allem auch ein ehrliches Gespräch mit den Patienten.
In Ihrer Zeit bei den Elisabethinen und anschließend im Ordensklinikum war einer Ihrer Schwerpunkte die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Wie würden Sie das Resultat dieser Bemühungen heute aus Sicht der Patienten bewerten?
R. FÜGGER: Es hat deutliche Fortschritte gegeben. Die Operation ist an Zentren wie dem unseren sehr sicher geworden. In Zusammenarbeit mit den anderen Fächern haben sich auch die Überlebenszeiten und Heilungschancen gebessert. Trotzdem ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs immer noch der Krebs mit der schlechtesten Prognose, und es bleibt viel zu tun.
Sie haben sich auch ernsthaft mit Komplikationen beschäftigt. Das ist ein Thema, von dem man meinen würde, dass es üblicherweise keine besondere Aufmerksamkeit erzielt. Warum war Ihnen das so wichtig?
R. FÜGGER: Chirurgie gibt es leider nicht ohne Komplikationen. Wenn ich ein bestmögliches Ergebnis für den Patienten erreichen will, muss ich lernen, Komplikationen erfolgreich zu behandeln. Dazu ist eine genaue Analyse der eigenen Ergebnisse notwendig, um daraus zu lernen.
Die Einführung der Schlüssellochchirurgie mit allen ihren Vorteilen war ein Meilenstein in der Behandlung von Chirurgischen Patienten. Was könnte der nächste große Meilenstein werden?
R. FÜGGER: Der nächste große technische Meilenstein könnte die roboterassistierte Chirurgie werden. Die ist meiner Meinung nach gerade erst am Anfang.
Wohin wird sich die Chirurgie entwickeln? Welchen Einfluss wird die Digitalisierung dabei haben?
R. FÜGGER: Die Chirurgie ist heute viel interdisziplinärer als am Beginn meiner chirurgischen Ausbildung. In fast allen Gebieten, vor allem aber bei der Behandlung von Krebs, aber auch bei der Transplantation ist die Chirurgie Teil eines interdisziplinären Teams. Um Fortschritte zu erzielen, muss sich das ganze Team weiterentwickeln. Big data sind heute auch schon in der Medizin Basis vieler Studien. Die Digitalisierung wird sowohl in der Wissenschaft, als auch im Alltag massiv zunehmen und uns helfen. Auch das ist eine Entwicklung, die jetzt durch Corona zwar augenscheinlicher ist, aber trotzdem erst am Beginn.
Wenn Sie heute zurückblicken und unter Einbeziehung all Ihres heutigen Wissens: Welchen Beruf würden Sie heute wählen?
R. FÜGGER: Ich würde wieder Arzt werden und auch wieder Chirurg. Die Berufswahl war ein Glück für mich.
Wenn Sie Ende des Jahres in den Ruhestand treten, gibt es dann etwas, das Sie noch gerne erledigt hätten?
R. FÜGGER: Ich sehe da kein einzelnes Ereignis. Ich habe meinem Team mehrfach gesagt, dass ich mit voller Kraft bis zum 31.12. arbeiten werde, so wie man bei einem Marathon ja auch mit voller Kraft über die Ziellinie läuft.
Was würden Sie zuerst tun, wenn sie Gesundheitsminister wären?
R. FÜGGER: Zum Glück bin ich nicht Gesundheitsminister, denn ich stelle mir das leider frustrierend vor. Wenn ich mir da etwas wünschen würde, dann vor allem die Möglichkeit einer zentralen Steuerung. ●
Interview Prof. Dr. Matthias Biebl - Herzlich Willkommen in Oberösterreich!
MITENANDER: Sie kommen aus einer der bedeutendsten und renommiertesten Kliniken der Welt, der Charité in Berlin und werden künftig im Ordensklinikum Linz arbeiten. Was hat Sie dazu bewogen, sich hier zu bewerben?
M. BIEBL: Vielen Dank! Da gibt es viele Gründe. Zum einen ist die Chirurgie des Ordensklinikum eine große und erfolgreiche Abteilung, die aus zwei sehr arrivierten Abteilungen durch den Zusammenschluss zur aktuell bezogen auf die Bettenanzahl größten chirurgischen Abteilung Österreichs geworden ist. Unter der Führung von Prof. Függer ist das Spektrum mit den Aspekten der gesamten chirurgischen Onkologie sowie der Nierentransplantation soweit exzellent auf- und ausgebaut worden, dass die Abteilung österreichweit in vielen Bereichen mitgestaltend ist. Die Schwerpunktsetzung in der Onkologie und Transplantation entspricht zudem exakt meinem bisherigen chirurgischen Tätigkeitsbereich. Darüber hinaus kenne ich, da ich in Innsbruck aufgewachsen bin und von 2001 bis 2014 an der Universitätsklinik Innsbruck gearbeitet habe, sowohl das Potenzial der Abteilung als auch Prof. Függer persönlich seit Jahren, und somit war es für mich eine besondere Herausforderung und ein Ansporn, mich als Nachfolger für die Leitung dieser Abteilung bewerben zu können. Insgesamt habe ich beim Ordensklinikum als Ganzes den Eindruck, dass ich hier in einem dynamischen und agilen Arbeitsumfeld optimale Bedingungen zur klinischen Gestaltung und Weiterentwicklung einer sehr gut auf gestellten Chirurgie vorfinde, sodass ich mit sehr freue, hier in Zukunft arbeiten zu können.
Sie waren in Berlin stellvertretender Chirurgischer Klinikleiter. Wo lagen bisher Ihre Schwerpunkte als Chirurg?
M. BIEBL: Der Schwerpunkt meiner Professur war die minimal invasive und robotische onkologische Chirurgie von Gastrointestinaltrakt, Leber und Pankreas. Als Stellvertretender Klinikdirektor war ich darüber hinaus klinisch für die Versorgung der Privatpatienten im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Standort Mitte sowie der Speiseröhren-, Magen- und Hernienchirurgie an den beiden Standorten unserer Klinik zuständig. Zusätzlich war ich im Oberarztdienstrad für die Nieren-, Pankreas und Lebertransplantationen an der Charité zuständig.
Wie schaut Ihr Plan für die kommenden fünf Jahre für die Chirurgie im Ordensklinikum Linz aus?
M. BIEBL: Ich freue mich darauf, die Klinik an beiden Standorten im Detail kennenzulernen. Sicherlich ist die weitere Entwicklung der Standorte als gemeinsame Klinik eine ganz wichtige Aufgabe, ebenso die Gestaltung der Schwerpunkte Onkologie und Transplantation und hierbei die Positionierung im Land Oberösterreich. Mein Ziel ist es, dass die Chirurgie des Ordensklinikums ein attraktiver Arbeitsplatz ist, an dem ein motiviertes und modern aufgestelltes Team gute Medizin für unsere Patienten betreibt. Hierfür sind auch eine intensive interdisziplinäre Vernetzung und die Schaffung entsprechender lebendiger Strukturen wichtige Aspekte meiner zukünftigen Arbeit. Fachlich habe ich den Anspruch, dass wir als hochmoderne Abteilung durch exzellente Qualität überregional in Österreich besonders in den Bereichen Onkologie und Transplantation als mitgestaltend wahrgenommen werden.
Welche Rolle werden aus Ihrer Sicht Methoden der unterstützenden Technologien, wie zum Beispiel Robotertechnik, künftig in der Chirurgie haben?
M. BIEBL: Kurz gesagt – eine große. In der gesamten Chirurgie hat sich zeigen lassen, dass minimal-invasive Techniken für den Patienten schonender und vorteilhafter sind als offene Operationen. Rein technisch ist die Präzision robotergestützter Systeme – ähnlich wie beim Auto eine Servolenkung – analogen Möglichkeiten überlegen. Aktuell stellt die Robotik die momentan maximale Kombination dieser beiden Faktoren – minimal-invasivem und präzisem Operieren – dar. Zudem zeigt sich die Umsetzung komplexer robotischer Operationen in der chirurgischen Community schneller und breiter möglich, als das bei den traditionellen minimal-invasiven Techniken der Fall war. Zuletzt werden technisch gesehen zukünftige hochtechnische Erweiterungen im Sinne von digitaler Medizin und künstlicher Intelligenz unweigerlich an Schnittstellen, wie sie in der Robotik angelegt sind, ankoppeln. Daher bin ich überzeugt, dass die weitere technische Entwicklung der Chirurgie mit Sicherheit auf robotischen Lösungen aufbauen wird. Es wird sicherlich in Hinblick auf die Kosten zu einer Auftrennung von Operationen in hoch und weniger komplexe Bereiche kommen, aber in der minimal-invasiven Spitzenchirurgie bin ich überzeugt, dass die Robotik einen sehr prominenten Platz einnehmen wird.
Im Ordensklinikum sind bestimmte Wertehaltungen ganz besonders wichtig. Es gibt große Bemühungen, den vielerorts zitierten Slogan vom Menschen, der im Mittelpunkt stehen soll, im Alltag lebendig zu halten. Welchen konkreten Beitrag können Sie als Chirurg zu diesem Bestreben leisten?
M. BIEBL: Ich denke, dass gerade die Chirurgie ein sensibler Bereich ist, in dem die Patienten sehr genau spüren, ob man auf sie als Person eingeht oder ob der Betrieb sie möglichst effizient „durchschleust“. Meiner Meinung nach ist es ein ganz wichtiger Anteil jeder chirurgischen Tätigkeit, für seine Patienten wirklich in diesem Prozess persönlich da zu sein. Weiters sind sehr viele Bereiche der Chirurgie mehr und mehr in interdisziplinäre Abläufe eingebettet, in denen es durch die zunehmende Komplexität wichtiger denn je ist, dass der Patient durch persönliche Kontakte durch die Abläufe geführt und auf dem Weg durch die Behandlung begleitet wird.
Worüber machen Sie sich als Arzt Sorgen und warum?
M. BIEBL: Dass die fortschreitende Technisierung, der kommende Personalmangel im Gesundheitswesen und der ökonomische Druck ein individuelles Eingehen auf die Probleme der Patienten immer schwieriger machen werden.
Welches Gesundheitsproblem würden Sie gerne gelöst haben?
M. BIEBL: Aktuell wohl die Corona-Situation.
Hatten Sie schon die Möglichkeit, Linz etwas kennen zu lernen? Wie ist ihr erster Eindruck?
M. BIEBL: Da eine Schwester und ein Cousin von mir in Linz leben, kenne ich die Stadt bereits ein wenig und genieße es sehr, hier sein zu können.